Die internationale Expertengemeinschaft Endocrine Society hat im Juni 2024 eine neue Leitlinie veröffentlicht, die wissenschaftlich begründete Empfehlungen zur Vitamin-D-Supplementierung und zur Messung des Vitamin-D-Versorgungsstatus enthält. Die Leitlinie „Vitamin D for the Prevention of Disease: An Endocrine Society Clinical Practice Guideline“ gilt für gesunde Personen der Allgemeinbevölkerung, bei denen es keine Indikation für eine Vitamin-D-Therapie gibt.
Wie ist die Leitlinie aufgebaut?
Die neue Leitlinie besteht aus 14 Fragen, zu denen die Expertenkommission jeweils eine Antwort in Form einer Empfehlung gibt. Die Fragen beziehen sich auf verschiedene Personengruppen, z. B. bestimmte Altersgruppen, Schwangere, Menschen mit Übergewicht etc. Konkret geht es einerseits um die Frage, ob eine Vitamin-D-Supplementierung für eine bestimmte Personengruppe mit gesundheitlichen Vorteilen assoziiert ist und wenn ja, was es dafür zu beachten gilt. Auch die Frage, ob der Vitamin-D-Versorgungsstatus routinemäßig gemessen werden sollte, wurde von den Experten beantwortet. Dies ist aus Sicht der Experten für die gesunde Allgemeinbevölkerung nicht angeraten.
Wie können die Empfehlungen zusammengefasst werden?
Die Expertengruppe empfiehlt für bestimmte Personengruppen die tägliche Supplementierung mit Vitamin D in Form von Vitamin D2 (Ergocalciferol) und Vitamin D3 (Cholecalciferol):
- Gesunde Kinder und Jugendliche zwischen ein und 18 Jahren, um Rachitis zu verhindern und möglicherweise das Risiko von Atemwegsinfektionen zu senken.
- Gesunde Personen ab 75 Jahren, um das Sterblichkeitsrisiko zu senken.
- Gesunde Schwangere, um das Risiko für verschiedene negative Auswirkungen im Rahmen der Schwangerschaft und Geburt zu senken.
- Personen mit Prädiabetes, um das Risiko für ein Fortschreiten der Diabetes-Erkrankung zu verringern.
Was gilt für gesunde Personen zwischen 19 und 74 Jahren?
Für diese Bevölkerungsgruppe gibt es zwar keine Empfehlung zur täglichen Supplementierung, allerdings sollte darauf geachtet werden, dass die tägliche Zufuhr von Vitamin D den Empfehlungen des US Institutes of Medicine (heute: National Academy of Medicine) entspricht. Das sind, je nach Altersgruppe, 600 I.E. bis 800 I.E. Vitamin D pro Tag (entspricht 15 bis 20 µg). Allerdings: Lebensmittel liefern nur geringe Mengen an Vitamin D.
Wie ist die Expertengruppe vorgegangen, um die Empfehlungen abzuleiten?
Die Expertengruppe wertete Interventionsstudien (Randomized Controlled Studies – RTC) und, bei Bedarf, Längsschnitt-Kohortenstudien aus, die die Effekte einer Vitamin-D-Supplementierung bei gesunden Probanden untersuchten. Die Studienergebnisse wurden in systematischen Reviews und Metaanalysen zusammengefasst, analysiert und anhand ihrer Evidenz beurteilt. Zusätzlich zu der wissenschaftlichen Evidenz wurden auch weitere Kriterien wie z. B. Werte und Präferenzen von Patienten, Durchführbarkeit, Akzeptanz, Kosten/Ressourcenverbrauch, Kosteneffektivität und Gesundheitsgerechtigkeitsaspekte bei der Ableitung der Empfehlungen berücksichtigt.
Welche Experten waren an der Erstellung der Leitlinie beteiligt?
Die Expertengruppe bestand aus Wissenschaftlern der folgenden Fachrichtungen: Endokrinologie für Erwachsene, Allgemeine Innere Medizin, Geburtshilfe und Gynäkologie, pädiatrische Endokrinologie, Ernährung und Epidemiologie. Auch ein Patientenvertreter sowie zwei Methodenspezialisten waren an der Erstellung der Leitlinie beteiligt.
Warum ist Vitamin D so wichtig?
Vitamin D ist u. a. wichtig für das Immunsystem, die Muskel- und die Knochengesundheit. Eine ausreichende Versorgung mit Vitamin D ist wichtig für die Gesundheit und das Wohlbefinden. Vitamin D ist ein fettlösliches Vitamin, das unter guten Voraussetzungen durch Sonnenbestrahlung in der Haut gebildet werden kann. In den Wintermonaten von Oktober bis März reicht die Sonnenbestrahlung in Deutschland hierfür jedoch nicht aus. Hinzu kommt, dass mit steigendem Alter die körpereigene Produktion des Vitamins über die Haut nachlässt und Lebensmittel nur geringe Mengen an Vitamin D liefern. So zeigt die „Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland“ (DEGS) wenig überraschend, dass die Versorgung mit Vitamin D in Deutschland häufig unzureichend ist.
Wie kann der Körper mit Vitamin D versorgt werden?
- Sonnenlicht: Durch UV-Bestrahlung der Haut kann Vitamin D unter den richtigen Voraussetzungen selbst vom Körper gebildet werden.
- Lebensmittel: Vitamin D kommt naturgemäß nur in wenigen Lebensmitteln in signifikanter Menge vor. Dazu gehören v. a. fetter Fisch, Eigelb, Leber und einige Speisepilze.
- Nahrungsergänzungsmittel: Nahrungsergänzungsmittel können dazu beitragen, den Körper ausreichend mit Vitamin D zu versorgen.
Quellen:
https://www.endocrine.org/clinical-practice-guidelines/vitamin-d-for-prevention-of-disease
Demay et al. (2024): “Vitamin D for the Prevention of Disease: An Endocrine Society Clinical Practice Guideline”, publiziert in: The Journal of Clinical Endocrinology & Metabolism, 2024, 109, 1907–1947
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