Das Jahr neigt sich dem Ende und viele Menschen fühlen sich aufgrund von Feiertagsvorbereitung, Jahresabschlüssen und vielem mehr sehr gestresst. Wir haben mit Ernährungswissenschaftlerin Prof. Dr. Ann-Kristin Dorn über chronischen Stress, seine Auswirkungen und welche Rolle die Ernährung spielen kann, gesprochen.
Stress begleitet uns alle, doch wie wirkt er auf unseren Körper?
Stress ist evolutionär betrachtet ein Überlebensmechanismus. In Gefahrensituationen, wie etwa einem Angriff durch einen Säbelzahntiger, mobilisiert der Körper Energie, um entweder zu kämpfen oder zu fliehen. Dabei steigen Blutdruck und Puls, während nicht lebenswichtige Funktionen wie Verdauung oder Sexualtrieb heruntergefahren werden. Das Problem entsteht jedoch bei dauerhaftem Stress, denn dieser schadet dem Körper. Chronischer Stress führt zu einer permanenten Ausschüttung von Hormonen wie Cortisol, was langfristig die Gesundheit beeinträchtigen kann.
Woran erkennt man chronischen Stress?
Chronischer Stress äußert sich auf verschiedenen Ebenen und hat viele Gesichter: kognitiv, körperlich und emotional. Kognitiv merkt man es beispielsweise an Gedanken wie „Das schaffe ich nicht mehr!“ oder „Das ist zu viel!“. Körperliche Symptome können Verdauungsprobleme, Kopfschmerzen oder Bluthochdruck sein. Emotional zeigt sich chronischer Stress oft durch Gereiztheit oder depressive Verstimmungen. Langfristig können sogar ernsthafte Erkrankungen wie Typ-2-Diabetes, Herz-Kreislauf-Probleme oder Burnout auftreten.
Welche Rolle spielt die Ernährung generell bei der Stressbewältigung?
Ernährung spielt eine zentrale Rolle. Stress erhöht den Bedarf an Mikronährstoffen wie Vitamin C und Magnesium. Vitamin C wird beispielsweise für die Produktion von Stresshormonen benötigt. Es gab Studien, wo hochdosiertes Vitamin C Probanden verabreicht wurde, die sich danach auch physiologisch weniger gestresst gefühlt haben. Magnesium wiederum dient als Puffer gegen Stress. Magnesium ist wichtig für Knochen und für Muskeln. Und die Muskelaktivität, die soll ja gesteigert werden, wenn man Stress hat, damit man kämpfen oder fliehen kann, und da wird eben dann das Magnesium verbraucht. Eine unzureichende Versorgung mit diesen Mikronährstoffen kann die negativen Auswirkungen von Stress also verstärken. Außerdem kann chronischer Stress ja dazu führen, dass das Immunsystem geschwächt ist und dafür sind beispielsweise Vitamin B12, Vitamin B2 und Vitamin D auch wichtig, um das Immunsystem zu unterstützen.
Kann Fasten tatsächlich die Stressresistenz verbessern?
Ja, Fasten kann tatsächlich helfen. Besonders intermittierendes Fasten, also zum Beispiel 16 Stunden nichts essen und 8 Stunden essen, hat positive Effekte. Studien zeigen, dass Fasten Angstzustände und das Stressempfinden reduzieren kann. Der Körper stellt dabei seinen Stoffwechsel um und bildet aus Fettdepots Ketonkörper. Diese Umstellung scheint sich positiv auf die Stressresistenz auszuwirken.
Warum reagieren Menschen unterschiedlich auf Stress, insbesondere beim Essverhalten?
Das hängt stark von Hormonen wie Cortisol, Insulin und Leptin ab. Einige Menschen verlieren unter Stress den Appetit, da ihr Verdauungssystem heruntergefahren wird. Andere essen hingegen mehr, da die hormonellen Sättigungsmechanismen gestört werden. Besonders Zucker- und fettreiche Lebensmittel werden dann oft bevorzugt, da sie kurzfristig das Glückshormon Dopamin freisetzen.
Welche Maßnahmen helfen konkret gegen Stress?
Es gibt viele wirksame Ansätze. Atemübungen sind eine einfache und effektive Methode. Tiefes Ein- und Ausatmen aktiviert das parasympathische Nervensystem, das für Entspannung sorgt. Yoga ist ebenfalls hilfreich, da es Atmung und Bewegung kombiniert. Realistisches Zeitmanagement ist eine weitere wichtige Maßnahme. Man sollte übervolle Zeitpläne vermeiden und Pufferzeiten einplanen. Ein entscheidender Schritt ist auch die Selbstreflexion: Stressoren identifizieren und gezielt abbauen, etwa durch Neinsagen oder Digital Detox.
Haben Sie persönliche Anti-Stress-Tipps, die Sie uns verraten würden?
Absolut! Atemübungen helfen mir in akuten Stresssituationen. Ich atme tief ein, halte den Atem kurz und atme langsam wieder aus – das beruhigt mich sofort. Außerdem habe ich meinen Social-Media-Konsum stark eingeschränkt: Nach zehn Minuten ist Schluss, was mir viel mentale Ruhe bringt. Ein weiterer Tipp ist realistisches Planen. Ich achte darauf, meine Woche nicht zu voll zu packen und ausreichend Zeit für neue Aufgaben einzuplanen. Ich möchte allen ans Herz legen, auf ihre Bedürfnisse zu achten. Stress ist individuell, und es lohnt sich, herauszufinden, was einem persönlich guttut. Seien es Atemübungen, eine ausgewogene Ernährung oder bewusste Auszeiten – jeder Schritt zur Stressbewältigung ist ein Schritt zu mehr Wohlbefinden.
Das ausführliche Interview mit Prof. Dr. Ann-Kristin Dorn kann in unserer Podcast-Folge „Stress und Ernährung“ von „ErnährungPlus – der FoodCast“ unter https://open.spotify.com/episode/5zHM5DUCUz12Gl6nZ8vwhk angehört werden.
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